In einer neuen Serie stellen wir in lockeren Abständen Persönlichkeiten der Gartengeschichte vor, die wesentlich die Gartenkultur und Gartengestaltung geprägt haben. Die Reihe starten wir mit einem der bekanntesten Namen der (deutschen) Gartenkultur, mit Karl Foerster (1874 – 1970), dem Gärtner, Staudenzüchter, Schriftsteller und Gartenphilosophen aus Berlin.
Der Garten im Wandel – von der Repräsentation zum Wohn- und Lebensraum
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kündigte sich im Hausbau und Garten bereits die Moderne an. Das Wohnen in einer Architektur der historischen Versatzstücke, mit dem die Bürger in der Gründerzeit versuchten, sich in ihrer staatstragenden Bedeutung zu inszenieren, wurde nun als bedrückend und rückständig empfunden. Die Suche nach einfacheren und transparenteren Ausdrucksformen des Bauens bestimmte die Diskussion dieser Zeit. Auch dem Garten fiel eine neue Rolle zu: Er sollte nicht mehr allein der Repräsentation dienen, in ihm sollte gewohnt und gelebt werden. Somit wurde auch die Einheit von Haus und Garten Teil der neuen, zentralen Idee vom modernen Wohnen.
Die britische Arts-and-Crafts-Bewegung hatte zum Ende des I9. Jahrhunderts in England bereits eine intensive Beziehung von Architektur und Landschaftsarchitektur etabliert. Gebildete und wohlhabende Bürger des Mittelstandes zelebrierten das bodenständige und einfache Landleben und ließen sich Landhäuser mit dem entsprechenden Interieur und den dazu passenden Gärten entwerfen. Diese Bauhaltung wurde um die Jahrhundertwende in Deutschland übernommen und auf das Wohnen am Rande der Stadt übertragen.
Für den neuen Garten fehlten die Pflanzen
Die ersten der neu entstehenden Gärten konnten allerdings zunächst nur als Raumkunst, nicht aber durch ihre Bepflanzung überzeugen. Es lag daran, dass sie von Architekten entworfen wurden. Die meisten Landschaftsarchitekten und auch die Gärtner selbst fühlten sich noch der Tradition des späten Landschaftsgartens verpflichtet. In Teppichbeeten wurden pflegeintensive einjährige Pflanzen kultiviert, die prächtigen Kübelpflanzen mussten aufwendig in Wintergärten überwintert werden und das ausufernde, buntlaubige Gehölzsortiment machte entsprechend große Villengärten erforderlich. Für einen Garten, der das ganze Jahr als Wohnraum der bürgerlichen Familie zur Verfügung stand, fehlten die Konzepte und vor allem die Pflanzen.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts finden sich auch im deutschsprachigen Raum immer wieder Hinweise auf eine zunehmende Bedeutung der Stauden *). 1887 erscheint von Theodor Rümpler das erste Buch in Deutschland, das ausschließlich die Gruppe der Stauden zum Thema hat. Die Stauden finden begeisterte Anhänger und man versucht diese Pflanzen gegen die Teppichpflanzenmode dieser Zeit in Stellung zu bringen. 1901 werden die Stauden schon zu den „allerbevorzugtesten Modepflanzen“ gezählt.
*) Stauden sind mehrjährige Gewächse (perennierend), die in der Regel im Winter einziehen und aus ihren im Boden, an der Bodenoberfläche oder bodenoberflächennahe gelegenen Überwinterungsorganen in der folgenden Vegetationsperiode wieder austreiben. Meist sind sie krautig, selten verholzend.
Der Einzug der Stauden in die Gärten und Parks des 20. Jahrhunderts
Der große Umbruch in der Gartenkunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte nicht nur zum neuen Stil der Reformgartenzeit. Gleichzeitig erkannten die fortschrittlichen Landschaftsarchitekten, dass in Wahrnehmung ihrer sozialen Verantwortung viele neue Aufgaben im öffentlichen Freiraum auf sie zukommen würden. Neue Parks und Stadtplätze entstanden und dort waren auch die ersten öffentlichen Staudenpflanzungen zu sehen.
Ihren eigentlichen Siegeszug traten die Stauden aber in den privaten Gärten an. Der Landhausstil war von England ausgehend auch in Deutschland populär geworden. Der Architekt Hermann Muthesius propagierte Gärten in Anlehnung an die Arts-and-Crafts-Bewegung. 1908 wurde in der Zeitschrift „Die Woche“ ein inzwischen legendärer Hausgartenwettbewerb ausgeschrieben, den der Magdeburger Landschaftsarchitekt Friedrich Bauer gewann. Eine Exkursion führender deutscher Landschaftsarchitekten nach England im Jahre 1909 brachte den endgültigen Durchbruch. Es wurde die Forderung erhoben, dass der Garten die Fortsetzung des Hauses sein müsse. Deshalb teilte man ihn architektonisch in Räume auf. Die strenge Formgebung sollte durch eine üppige Bepflanzung kontrastiert werden – ganz wie es in England bereits üblich war. So kam den Stauden eine zentrale Bedeutung im neuen sogenannten Reformgarten zu.
Der neue Stil erfordert neue Pflanzen
Für diesen neuen Gartenstil bedurfte es also auch der „neuen Pflanzen“. Der Hauptprotagonist für diese Entwicklung in Deutschland war Karl Foerster (1874-1970). Er gilt als die zentrale Figur der Staudenbegeisterung in Deutschland und genießt noch heute fast kultische Verehrung. Verschiedene Auszeichnungen (Karl-Foerster-Anerkennung der Karl-Foerster-Stiftung, Karl-Foerster-Ring, vergeben vom Bund deutscher Staudengärtner) sind nach ihm benannt.
Karl Foerster kam aus einer sehr angesehenen Familie des intellektuellen Berliner Bürgertums – sein Vater war Professor und Leiter der Sternwarte, sein Bruder ein berühmter Erziehungswissenschafter. Er ergreift den Gärtnerberuf – was gar nicht dem Niveau der Bildungsschicht entsprach, aus der er stammte. 1907 gründete er seine erste Gärtnerei, 1910 zog er damit nach Bornim bei Potsdam. Er begann sofort mit der Züchtung eigener Sorten und führte neue Arten ein. Über Bornim hinaus bekannt wurde er vor allem durch seine Veröffentlichungen.
Karl Foerster und der Bornimer Kreis
Die Zeit war geprägt von der Auseinandersetzung zwischen Architekturgarten und landschaftlichem Stil. Foerster lag daran, beide „Gartengesetze“ zu vereinen. Er schuf bewusst naturhafte und formale Bereiche nebeneinander. Dazu teilte er den Garten in verschiedene Gartenräume mit unterschiedlichen Pflanzmotiven auf. Vielgestalt und Unterschiedlichkeit der Gartenteile war Karl Foerster sehr wichtig. Zu Foersters Zeiten erobern die Stauden den Garten und tragen dazu bei, ihn in einen lebendigen Wohngarten zu verwandeln.
Karl Foerster setzte sich nahezu missionarisch für die Stauden und ihre Verwendung ein. Bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts veröffentlicht er insgesamt 29 Bücher, zum Beispiel „Winterharte Blütenstauden und Sträucher der Neuzeit“ (1911), „Vom Blütengarten der Zukunft“ (1917), „Blauer Schatz der Gärten“ (1941), „Neuer Glanz des Gartenjahres“ (1952) und als letztes: „Es wird durchgeblüht“ (1968). 1951 setzte Foerster mit dem Werk „Einzug der Gräser und Farne in den Garten“ einen weiteren, wichtigen Impuls für die Gartengestaltung, der bis heute fortwirkt. Von Foerster gehen ohne Zweifel viele entscheidende Ideen für eine deutsche und europäische Staudenverwendung aus.
1920 verwirklichte er zusammen mit Camillo Schneider (1876-1951) und Harry Maß die Zeitschrift „Gartenschönheit“, die durch hervorragende Bildqualität und ausgewählte Autoren Maßstäbe setzte. Aber vor allem nahm er auch Einfluss auf Künstler und junge Landschaftsarchitekten seiner Zeit.
Richard Hansen beschreibt diese kreative Aufbruchsstimmung später folgendermaßen: „Karl Foerster und die Bornimer Atmosphäre haben nicht nur uns junge Gärtner, sondern auch Künstler und Gelehrte, Musiker, Dichter, Maler, Bildhauer, Architekten und natürlich auch viel Jugend angezogen. Viele unter ihnen waren seinem Hause eng verbunden. Der Bornimer Geist, aber auch Foersters Güte und Freundlichkeit, verbunden mit seiner unbeschreiblichen Heiterkeit, übten eine starke Faszination aus. Es war eine große Gartenzeit. Die Träume vom Blütengarten der Zukunft schienen sich zu verwirklichen, zumal viele Menschen hofften, in unseliger Zeit ihren Frieden im Garten zu finden“ (1987).
Karl Foersters Einfluss in Pflanzung und Staudenverwendung
Foersters Wirkung ging weit. Er sprach nicht nur herausragende Intellektuelle mit seinen Werken an. Viele einfache Gärtner und Gärtnerinnen und Gartenbegeisterte fühlten sich zu ihm und seiner Welt hingezogen, schätzten neben seinen Pflanzenbüchern auch seine gartenphilosophischen Schriften und Aphorismen. Auch Karl Heinrich Waggerl war ein eifriger Leser der Werke Foersters, bezog eine Vielzahl der Pflanzen von Foersters Bornimer Gärtnerei und ließ sich zweifelsohne in seiner Gartengestaltung von Foerster inspirieren.
Man könnte annehmen, dass Foerster mit der Übernahme von Grundsätzen zur Gartengestaltung auch Bepflanzungsideen der Arts-and-Crafts-Bewegung aufgriff. Dem war aber nicht so. Zwar waren ihm diese bekannt, er folgte diesem Vorbild jedoch nicht. Für rabattenartige Bepflanzungen bevorzugte er eine strengere, oft auch symmetrische Anordnung, zum Weg hin wurde die Rabatte von ein- oder zweireihig gesetzten Einfassungspflanzen begrenzt. Die Bepflanzung sollte rhythmisch mit Tuffs von Pflanzen gleicher Art erfolgen.
Foersters Pflanzungen nach Jahreszeiten
Forster hat sieben verschiedene Jahreszeiten unterschieden und danach seine Empfehlungen ausgerichtet. Sie haben sich bei Gärtnern etabliert und machen auch heute noch Sinn, da sie zum Beispiel den Frühling, der im Januar beginnen kann und sich bis Mai erstreckt, in sinnvolle, vegetationszeitlich begründete Abschnitte unterteilten. Besonders wichtig waren ihm die gärtnerisch bislang vernachlässigten Zeiten, wie Winter, Vorfrühling oder Herbst. Er ermunterte seine Leser gerade dazu nach Pflanzen mit duftenden Blüten, interessanten Blättern, bunten Früchten oder farbiger Rinde Ausschau zu halten. Nicht umsonst hat er seinen Büchern Titel gegeben wie „Neuer Glanz des Gartenjahres“, „Der Steingarten der sieben Jahreszeiten“ und „Es wird durchgeblüht“. Es geht darum, den jahreszeitlichen Wechsel zu zelebrieren und sich stets auf Neues und Besonderes zu freuen.
Karl Foersters Farbvorstellungen waren durch seine malende Mutter geprägt. Besonders beschäftigte er sich mit der Goethischen Farbenlehre und suchte nach harmonischen Kombinationen in klar abgrenzbaren, sogenannten charakteristischen Farben. In diesem Zusammenhang orientierte er sich nach den Vorstellungen des I9. Jahrhunderts. Die zu dieser Zeit neuen Ausrichtungen in der Malerei, wie der Impressionismus oder Expressionismus, blieben ihm fremd. Foerster bevorzugte reine Farben, er riet „alle unreinen oder schwierigen Farben“ wie Blaurot oder unreines Violett auszuschließen.
Der Staudenzüchter
Doch Foersters eigentliche Arbeit war nicht die gartenarchitektonische Gestaltung, sondern die Zucht von winterharten Blütenstauden aus aller Welt. Etwa 370 Züchtungen, allen voran Rittersporn und Phlox, sind ihm im Laufe seiner Tätigkeit gelungen, von denen etwa ein Drittel noch heute im Handel sind. Es sollten „Gärten für intelligente Faule“ entstehen, wie Karl Foerster es selbst nannte. Ziel der Züchtung war deshalb – neben der Schönheit der Blüten – den Pflegeaufwand so gering wie möglich zu halten. Die Stabilität und das Größenwachstum der Pflanzen wurde verbessert, die Anfälligkeit für Krankheiten und die Dürre- und Frostempfindlichkeit verringert.
Der Garten in Bornim diente dabei als Schau- und Versuchsgarten. Er war mit der anliegenden Gärtnerei verbunden, von der aus Stauden in alle Welt versandt wurden. Neben dem Steingarten und dem Frühlingsweg ist der sogenannte Senkgarten der bedeutendste Teil der Anlage. Ursprünglich vermutlich vom Berliner Gartenarchitekten Willy Lange beeinflusst, wurde er in den dreißiger Jahren von Hermann Mattern umgestaltet. Damals entstanden die kalksteinernen Trockenmauern, die die Bepflanzungsmöglichkeiten verbesserten. In den sechziger und achtziger Jahren erneuerte der Gartenarchitekt Hermann Göritz, der noch in der Arbeitsgemeinschaft Foerster-Mattern-Hammerbacher gearbeitet hatte, die baulichen Anlagen und die Bepflanzung, die er im Foersterschen Sinne zusammenstellte: Rittersporn, Phlox, Iris, Mohn und andere Blütenpflanzen ergeben mit Gräsern, bodendeckenden Stauden, Zwiebelgewächsen und Gehölzen ein Bild, das zu allen Jahreszeiten Harmonie und Schönheit ausstrahlt.
1972 wurde die Gärtnerei enteignet, sie bestand jedoch als „Volkseigenes Gut Bornimer Staudenkulturen“ fort und wird seit 1990 wieder als GmbH geführt. Wohnhaus und Garten, die im Besitz der Familie blieben, wurden 1981 als „Karl-Foerster-Gedenkstätte“ unter Denkmalschutz gestellt. Heute steht der Garten allen interessierten Besuchern jederzeit offen.
Der Schriftsteller Karl Foerster
Doch Foersters Züchtungen und seine neuen Ansichten der Gartengestaltung hätten wohl nie diesen überragenden Erfolg gehabt ohne seine immense schriftstellerische und publizistische Tätigkeit. Mehr als zwei Dutzend Gartenbücher veröffentlichte Karl Foerster im Laufe seines Lebens. Angefangen mit „Vom Blütengarten der Zukunft“ (1917), einer schmalen Publikation, die im Ersten Weltkrieg an verwundete und gefangen genommene Soldaten geschickt wurde, bis zu seinem letzten Werk „Es wird durchgeblüht“ (1968), einem enorm erfolgreichen Buch, das bis heute immer wieder aufgelegt wird. Die Gesamtauflage seiner Werke liegt bei sieben Millionen Exemplaren. Außerdem war Karl Foerster Mitherausgeber der Zeitschrift „Gartenschönheit“ (1923 – 1941), auch sie ein Novum der damaligen Zeit.
Fazit
Karl Foerster hat sich über die deutschen Grenzen hinaus einen Namen gemacht und wird heute noch vor allem in Engalnd besonders wertgeschätzt. Er war nicht nur ein begnadeter Staudenzüchter, sondern vor allem der Wegbereiter einer neuen Art der Gartengestaltung. Karl Foerster revolutionierte die Gartenkunst, indem er die Verwendung von Gräsern und standortgerechten, winterharten Stauden populär machte und einen natürlichen, pflegeleichten Gartenstil begründete. Sein umfangreiches züchterisches und schriftstellerisches Werk prägt bis heute die Gartengestaltung und macht ihn zu einer der einflussreichsten Figuren in der Gartenkultur des 20. Jahrhunderts.
„Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, werde ich wieder Gärtner, und das nächste Mal auch noch. Denn für ein einziges Leben ward dieser Beruf zu groß.„
Karl Foerster
Quellen:
Titelbild: Karl Foerster 1967 © Wikipedia, alle anderen Fotos © OGV Wagrain-Kleinarl